«Gute Architektur nimmt sich in der Regel zurück.»
Ein Gespräch mit den Inhabern der Dällenbach Ewald Architekten AG.
Helligkeit und Grosszügigkeit kennzeichnen die Büroräume in der umgebauten Weberei Stucki in Steffisburg. Vor den zahlreichen Fenstern präsentiert sich eine wohltuende Weite, an deren Ende die charakteristischen Visagen von Stockhorn und Niesen in den Himmel ragen. „Die Räume, in denen wir arbeiten, beeinflussen uns“, wird Urs Ewald später sagen.
Urs Ewald und Barbara Dällenbach sind ein eingespieltes Team. 1997 haben sie das Architekturbüro gegründet. Viel länger schon, seit dem Tech, verbindet sie eine private Partnerschaft. „Strategische Vorstellungen werden immer gemeinsam besprochen“, sagt Barbara Dällenbach und meint damit die Rollen als Geschäftsleiter. Daneben sind die Kompetenzen aber klar aufgeteilt. Sie ist für den raumplanerischen Teil zuständig. Er konzentriert sich auf die Architektur.
- Aus welcher Überzeugung heraus habt ihr 1997 eine Firma gegründet?
Urs: Beide wollten wir der Architektur eine eigene Prägung geben und beide haben wir ein unternehmerisches Verständnis mitgebracht. Bei uns hat sich früh artikuliert, dass wir mehr Verantwortung übernehmen möchten als dies in einem Angestelltenverhältnis möglich wäre. Zudem lieben wir den Wettbewerb.
Barbara: Es geht auch um Freiheit. Wir haben uns nie speziell wohl gefühlt im Angestelltenverhältnis. Kaum haben wir unsere Ausbildung beendet, haben wir die Selbständigkeit angestrebt.
Urs über Barbara
«Barbara hat ein unheimlich gutes Gespür für Menschen und für Prozesse. Dank ihrem feinen Sensorium hat sie die Fähigkeit, Konflikte aufzuspüren, bevor sie auftreten. Barbara hat einen gesunden kritischen Blick. Hier ergänzen wir uns gut, da ich eher der Optimist bin. Was Barbara sehr stark interessiert, ist die Verknüpfung zwischen der raumplanerischen und der gesellschaftlichen Entwicklung.»
«Barbara hat ein unheimlich gutes Gespür für Menschen und Prozesse.»
- Die Dällenbach Ewald Architekten bieten das ganze Paket an Dienstleistungen an. Gibt es dennoch eine Spezialdisziplin?
Urs: Es gibt Büros, die entwurfsorientiert sind und es gibt Büros, die ausführungsorientiert sind. Wir möchten, dass alle Teilleistungen bis zur Schlüsselübergabe auf dem gleichen Level erbracht werden. Auch unsere Teamzusammensetzung ist darauf ausgerichtet. Wir haben sowohl starke Entwerfer, als auch sehr gute Bauleiter. Spezialisiert sind wir dort, wo man einen Planer und einen Gestalter sucht, die mit Sorgfalt versuchen, die beste Lösung herauszuarbeiten.
Barbara: Das bedingt ja auch, dass man sich immer in die Aufgabenstellung hinein denkt und hineinliest. Diese Sorgfalt ist ganz wichtig, damit man wirklich auch die ganze Breite an Dienstleistungen bewältigen kann. Man kann schon sagen: Wir sind Generalisten. Es ist zwar kein sehr schönes Wort.
«Architektur ist immer ein Spiegel der Gesellschaft. Heute hat schon ein Einfamilienhaus den Anspruch, die Situation neu zu definieren und über alles hinaus zu strahlen.»
Urs: Die Unterscheidung zwischen architektonischen Referenzobjekten und einfachen Renditeobjekten gibt es bei uns nicht. Wir nehmen jedes Projekt mit dem gleichen Engagement und dem gleichen Gestaltungswillen in Angriff.
Barbara: Unsere Hauptaufgaben sind, über die Architektur ein qualitativ hochwertiges Projekt zu schaffen und eine gute Zusammenarbeit mit den Behörden und sämtlichen Fachinstanzen anzustreben. Dazu kommt, dass man am Ende auch die Kosten im Griff haben muss. Wenn man das Vermögen anderer in den Händen hat, ist das sehr wichtig.
«Wichtig ist auch, dass man nicht zu schnell den eigenen architektonischen Reflexen erliegt.»
- Sprechen wir nun über Gestaltung. Seid ihr auch Generalisten, was die Bauten betrifft?
Urs: (überlegt) Schwierige Frage.
Barbara: Wir haben schon unsere Linie.
Urs: Uns ist wichtig, dass ein Interesse an unserer fachlichen Meinung besteht, denn wir wollen uns gestalterisch einbringen. Wenn jemand einen reinen Dienstleister sucht, der alles vollstreckt, was er in „Schöner Wohnen“ gesehen hat, etwa ein Landhäuschen mit glasierten Ziegeln, dann widerstrebt uns das. Wir sind aber auch nicht die selbstgefälligen Entwerfer, die sagen, „das ist unser Konzept, Vogel friss oder stirb.“ Wir gehen stark darauf ein, was eine Bauherrschaft möchte, das ist auch das spannende an dieser Zusammenarbeit. Aber es ist essentiell, dass Bauherr und Architekt auf Augenhöhe agieren, und dass in der Zusammenarbeit gegenseitiger Respekt und grosses Vertrauen da sind.
Barbara: Ja, wir sehen uns eben auch als Berater, in der Architektur wie in der Planung. Die eine Seite der Beratung ist, dass man ein Projekt seriös durcharbeitet, mit allem, was es braucht. Das ist die Pflichtaufgabe. Das andere ist die architektonische Beratung. Das heisst, bei uns können Leistungen erwartet werden, die über die reine Aufgabestellung hinausgehen.
Barbara über Urs
«Urs geht akribisch vor, v.a. in den Entwurfsprozessen. Er verfolgt eine Idee und lässt nicht locker, bis zum Moment, in dem etwas stimmig ist. Ich staune ob seiner Geduld und seiner Hartnäckigkeit. Urs hat ausserdem ein feines Empfinden für die Bedürfnisse der Bauherrschaft, auf die er beinahe intuitiv eingehen kann. Gut, dass Urs kein Verbissener ist, sondern auch eine humorvolle Seite hat, mit den Leuten im Team, aber auch in Sitzungen, in denen es manchmal sehr ernst und heftig zu und her geht. Er kann mit seiner Gelassenheit die Lage entschärfen. Dadurch schafft er auch im Team eine sehr angenehme Atmosphäre. Das Geschäft fordert ja eigentlich eine gewisse Ernsthaftigkeit, aber Urs wahrt immer auch den Blick von Aussen und sieht das Ganze in einem weiteren Kontext.»
«Gut, dass Urs kein Verbissener ist, sondern eine sehr humorvolle Seite hat. Er kann mit seiner Gelassenheit die Lage entschärfen.»
- Es gibt also unterschiedliche Disziplinen der Beratung?
Barbara: Wenn du Kosten hast, dann hast du Zahlen. Damit kann man was anfangen. Wenn man mit den Behörden zusammenarbeitet, dann hast du Gesetze und Auflagen, die du einhalten musst. Aber wenn es um Architektur geht, um Gestaltung, dann wird es schwierig, weil es keine exakte Wissenschaft ist. Du kannst das nicht erklären, das hat sehr viel mit Wahrnehmung zu tun, mit einem inneren Gefühl, mit einer Stimmigkeit. Das gilt auch für die Planung, dort ist Nachhaltigkeit sehr wichtig; du musst Tendenzen der Raumentwicklung erkennen.
Urs: Da kann ich mich vielleicht einklinken. Es ist uns wichtig, dass der Bauherr den Planungsprozess nachvollziehen kann. Es ist nicht so, dass er nach drei Monaten eine fertige Lösung bekommt. Wir arbeiten in frühen Phasen mit Arbeitsmodellen. Uns ist immer sehr wichtig, dass der Bauherr in den Entwurfsprozess integriert ist. Das gibt ihm die Sicherheit, die er sucht, wenn er mit einem Architekten sein Objekt entwickeln möchte.
- Wie funktioniert das, wenn ihr nun einen Prozess startet, Ideen sucht und euch mit einer Vorstellung auseinandersetzt
Urs: Wichtig ist immer, dass man von verschiedenen Seiten an die Aufgabenstellung heran geht, dass man zum einen eine Analyse macht von der Aufgabenstellung und dass man nicht zu schnell den eigenen architektonischen Reflexen erliegt. Man glaubt relativ schnell schon zu sehen, was kommt. In der Regel lohnt es sich, diesen Drang noch etwas zu unterdrücken und sich stattdessen gute Beispiele anzuschauen. Das schafft Inspiration.
- Wie lässt sich denn ein Architekt inspirieren?
Urs: Wir haben schon Wettbewerbe gemacht, wo wir lange nur diskutiert haben. Dann haben wir noch einen Roman von Peter Bichsel gelesen, „Cherubin Hammer“. Auch wenn es völlig abstrakt war, war es verrückt, was daraus entstanden ist, indem wir nie angefangen haben zu entwerfen, immer nur diskutiert haben und uns am Ende über einen Roman thematisch der Sache angenähert haben.
Barbara: Mann sollte generell ein waches Auge haben im Alltag und sich inspirieren lassen. Wenn wir mit der Familie in die Ferien fahren, dann schauen wir Architektur an, das gehört dazu. Manchmal reicht es schon, dass man im Vorbeifahren etwas aufschnappt.
- Was habt ihr für architektonische Vorlieben?
Urs: Bei uns ist das die skandinavische, etwas kühle, zurückhaltende und naturverbundene Architektur. Und auch die Architekten aus der Moderne. Wir sind beide beeindruckt von Alvar Aalto. Der hat in der Zeit, als man angefangen hat, sehr industrialisiert zu bauen, immer gewisse Elemente aus der Natur einfliessen lassen. Er war nie stur rastermässig, auch in dieser Zeit behielt er die Nerven und brachte in seinen Entwürfen mit Materialien und Strukturen eine sehr persönliche Prägung ein. Auch mit organischen Elementen. Das hat seine Bauten ausgemacht, nebst den sehr kühlen und rationalen Rasterbauten, die damals sehr populär waren. Seine Bauten sind für uns bis heute beispielhaft und herausragend.
- Und in der Gegenwart?
Urs: Zum Beispiel Gion A. Caminada, der Bündner Architekt, der sich sehr stark mit dem ländlichen Bauen, der Entwicklung der Baukultur in den Seitentälern auseinandersetzt. Er hat aus einer regionalen Baukultur heraus unglaublich gute Sachen entwickelt. Auch wir sind überzeugt, dass es heute mehr denn je wichtig ist, örtliche Bezüge nach vorne zu holen und den Orten Identität zu geben. Wir leben in einer Zeit, in der sehr viele Industriedenkmäler einfach weggeputzt werden. In Steffisburg wurde das Astra-Areal dem Erdboden gleichgemacht. Das sind industrielle Zeitzeugnisse, die identitätsstiftend sind. Wenn stattdessen Agglomerationsblöcke entstehen, die genauso gut in Bümpliz oder Schlieren stehen könnten, dann verliert ein Ort an Charakter. Umso mehr sind wir mit der neuen Architektur gefordert, diese regionalen Bezüge wieder herzustellen.
Barbara: Es ist ja nicht so, dass man dadurch keine Veränderung zulässt. Dass es einen Prozess gibt, dass es Siedlungsveränderungen gibt, ist ganz klar. Aber dann mit der gleichen Qualität, die vorher schon hier war.
Urs: Der Zeitgeist heute ist, dass man nicht mehr im Kontext der Umgebung baut, sondern dass jeder sein designtes Möbelstück in die Landschaft setzt. Architektur ist immer ein Spiegel der Gesellschaft. Heute hat schon ein Einfamilienhaus den Anspruch, für sich die Situation neu zu definieren und über alles hinaus zu strahlen. Wir sind derart individualisiert, dass es fast nicht mehr möglich ist, sich unterzuordnen, auch in der Architektur. Gute Architektur nimmt sich in der Regel zurück.
- Habt Ihr ein eigenes Beispiel?
Urs: Wir konnten für die Gemeinde Steffisburg die Turnhalle Schönau umbauen. Das war qualitativ ein sauberer Bau aus den 50er-Jahren. Unsere Absicht war, dass man gar nicht merken würde, dass der Bau durch die Neuzeit erweitert wurde. Also haben wir probiert, die alte Putzstruktur wiederherzustellen und durch die Materialisierung im Innern wirklich ganz in die Zeit zurückzugehen. Heute ist die Turnhalle ein ruhiges, selbstverständliches Objekt. Wir waren einfach überzeugt, dass es nicht angebracht ist, dort noch ein Ausrufezeichen zu setzen.
- Ein weiteres Beispiel dürfte das Objekt sein, in dem wir gerade sitzen.
Urs: Wir haben die alte Weberei sehr minimalistisch saniert, um den industriellen Charakter aus der Zeit der Industrialisierung, mit dem Gussasphalt und den Holzbohlen, zu erhalten. Für uns sind das Räume, die unser Schaffen widerspiegeln und die gut zu unserer Zusammenarbeit im Team passen. Wir arbeiten offen und nahe miteinander. Ich denke, dass die Räume, in denen man arbeitet, einen beeinflussen.
Interview: Jonas Dunkel, Dunkeltext